MA VL. Dramaturgien im Gegenwartstheater - Urteilen im Theater
Dozent:innen: Jun.-Prof. Dr. Benjamin WihstutzKurzname: Dramatugien Gegenw
Kurs-Nr.: 05.155.640
Kurstyp: Vorlesung
Inhalt
Folgt man Juliane Rebentischs normativem Begriff von Gegenwartskunst, darf „Gegenwartstheater“ nicht mit dem Theater der Gegenwart verwechselt werden. Vielmehr bezeichnet der Begriff ein Theater, das insofern zeitgenössisch ist, als es sich kritisch mit den Deutungsmustern der eigenen Zeit auseinandersetzt. Theater ist mithin zeitgenössisch, wenn es einen Reflexionsraum öffnet, der sich kritisch auf die je aktuellen, historisch und kulturell geprägten Normen und Konventionen sowie nicht zuletzt auf die Bedingungen des Theaters selbst bezieht. Die Vorlesung geht von der Hypothese aus, dass eine solch normative Bestimmung des Gegenwartstheaters nicht umhin kommt, die Kategorie des Urteils in den Fokus zu rücken. Denn die Urteilskraft, in der ästhetischen Theorie zwischenzeitlich fast in Vergessenheit geraten, erlebt im Gegenwartstheater ein erstaunliches Comeback:Erstens haben wir es auffallend häufig mit einer Thematisierung von Gerichtsprozessen auf der Bühne zu tun. Seien es Stücke wie „Das schweigende Mädchen“ von Elfriede Jelinek, „Terror“ von Ferdinand von Schirach oder die Reenactments von Milo Rau: das Tribunal kehrt im 21. Jahrhundert auf vielfältige Weise auf die Bühne zurück.
Zweitens rückt mit dieser Präsenz des Juridischen auf der Bühne auch der Zuschauer als urteilende Instanz in den Blick: War das Gegenwartstheater der Nullerjahre geprägt von der Idee der Partizipation bzw. von der Transformation des Zuschauers in einen Akteur, wird die politische Dimension des Zuschauens wieder stärker einer Distanz zum Geschehen zugeschrieben. Allerdings lohnt es sich, auch immersive Theaterformen wie SIGNAS Performances unter diesem Aspekt des Urteilens auf neue Weise zu betrachten. Inwiefern der urteilende Zuschauer im Gegenwartstheater einer Brecht’schen Distanz bedarf oder zugleich als Handelnder betrachtet werden kann, ob das vermeintlich passive Bewerten und Assoziieren des Zuschauers tatsächlich als „Emanzipation“ gedeutet werden kann, wie Jacques Rancière vorschlägt, sind offene Fragen, die es zu diskutieren gilt.
Drittens werden vor allem im Tanz- und im Performancetheater vermehrt Kategorien ästhetischen Urteilens in den Blick genommen, so etwa in Jérôme Bels Arbeiten Disabled Theater und Gala, bei denen grundlegende Normen und Konventionen des Geschmacks und der Bewertung von Tanz, Musik und Performance zur Disposition gestellt werden. Dies hinterfragt zudem den Bedeutungshorizont des Performancebegriffs selbst, der als Leistungsprinzip (Performance: engl für Leistung) tief in unserer Gesellschaft verankert ist. Über Performances zu urteilen muss in diesem Sinne nicht heißen, eine schauspielerische oder tänzerische Leistung zu evaluieren. Vielmehr kann man von einer Ästhetisierung des Urteils sprechen, wenn das Urteil selbst reflexiv und unbestimmt wird respektive die Bedingungen des Urteilens zum eigentlichen Gegenstand ästhetischer Rezeption werden.
Die Vorlesung widmet sich ausgewählten Beispielen des Gegenwartstheaters und bezieht diese auf Positionen politischer und ästhetischer Theorie zur Urteilskraft. Dabei wird es darauf ankommen, die Zeitgenossenschaft des Theaters ebenso in Bezug auf historische Linien zu kontextualisieren wie in einen theoretischen und interdisziplinären Zusammenhang zu stellen.
Termine
Datum (Wochentag) | Zeit | Ort |
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26.10.2016 (Mittwoch) | 10:15 - 11:45 | 00 171 P4 1141 - Philosophisches Seminargebäude |
02.11.2016 (Mittwoch) | 10:15 - 11:45 | 00 171 P4 1141 - Philosophisches Seminargebäude |
09.11.2016 (Mittwoch) | 10:15 - 11:45 | 00 171 P4 1141 - Philosophisches Seminargebäude |
16.11.2016 (Mittwoch) | 10:15 - 11:45 | 00 171 P4 1141 - Philosophisches Seminargebäude |
23.11.2016 (Mittwoch) | 10:15 - 11:45 | 00 171 P4 1141 - Philosophisches Seminargebäude |
30.11.2016 (Mittwoch) | 10:15 - 11:45 | 00 171 P4 1141 - Philosophisches Seminargebäude |
07.12.2016 (Mittwoch) | 10:15 - 11:45 | 00 171 P4 1141 - Philosophisches Seminargebäude |
14.12.2016 (Mittwoch) | 10:15 - 11:45 | 00 171 P4 1141 - Philosophisches Seminargebäude |
21.12.2016 (Mittwoch) | 10:15 - 11:45 | 00 171 P4 1141 - Philosophisches Seminargebäude |
11.01.2017 (Mittwoch) | 10:15 - 11:45 | 00 171 P4 1141 - Philosophisches Seminargebäude |
18.01.2017 (Mittwoch) | 10:15 - 11:45 | 00 171 P4 1141 - Philosophisches Seminargebäude |
25.01.2017 (Mittwoch) | 10:15 - 11:45 | 00 171 P4 1141 - Philosophisches Seminargebäude |
01.02.2017 (Mittwoch) | 10:15 - 11:45 | 00 171 P4 1141 - Philosophisches Seminargebäude |
08.02.2017 (Mittwoch) | 10:15 - 11:45 | 00 171 P4 1141 - Philosophisches Seminargebäude |