HS. Theatralität und Medialität: Dialog, Diskurs, Dispositiv – Begriffe und Methoden in der Theaterwissenschaft
Dozent:innen: Elena Backhausen M.A.Kurzname: HS Theatralität
Kurs-Nr.: 05.155.16_1020
Kurstyp: Hauptseminar
Voraussetzungen / Organisatorisches
Das Seminar findet wöchenlich statt.Empfohlene Literatur
Agamben, Giorgio (2008): Was ist ein Dispositiv? Zürich: Diaphanes.- Aggermann, Lorenz; Döcker, Georg; Siegmund, Gerald (2017): Theater als Dispositiv: Dysfunktion, Fiktion und Wissen in der Ordnung der Aufführung. Frankfurt am Main : PL Academic Research.
-Bublitz, Hannelore u.a.(1999): Das Wuchern der Diskurse. Perspektiven der Diskursanalyse Foucaults. Frankfurt am Main: Campus Verlag.
-Bührmann, Andrea (2008): Vom Diskurs zum Dispositiv. Eine Einführung in die Dispositivanalyse. Bielefeld: Transcript.
-Foucault, Michel (1994): Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der Humanwissenschaften. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
-Foucault, Michel (1978): Dispositive der Macht. Über Sexualität, Wissen und Wahrheit. Berlin: Merve Verlag.
-Foucault, Michel (1998): Überwachen und Strafen: Die Geburt des Gefängnisses. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
-Foucault, Michel (1992) Der Wille zum Wissen. Sexualität und Wahrheit I. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
-Jäger, Siegfried (2015): Kritsche Diskursanalyse. Eine Einführung. Münster: Unrast.
-Waldschmidt, Anne/Karim, Sarah/Ledder, Simon (2020): Wie lässt sich ‚dis/ability‘ mit Hilfe des Dispositivkonzepts nach Michel Foucault theoretisch denken und empirisch untersuchen? Eine Einführung. In: Brehme, David/Fuchs, Petra/Köbsell, Swantje/Wesselmann, Carla (Hrsg.) Disability Studies im deutschsprachigen Raum. Zwischen Emanzipation und Vereinnahmung. Weinheim (Beltz Juventa), S. 158-164.
Inhalt
Das Seminar „Dialog, Diskurs, Dispositiv – Begriffe und Methoden in der Theaterwisseschaft“ widmet sich jenen zentralen Begriffen aus wissenschaftlicher Perspektive, die uns in kultur-, sozial- und geisteswissenschaftlichen Forschungsbereichen zunehmend begegnen und mittlerweile einen integralen Bestandteil in der Analyse theaterwissenschaftlicher und medialer Phänomene bilden.Dabei ist eine klare Abgrenzung innerhalb dieser Begriffstirade nach rudimentärem Verständnis der einzelnen Begriffe weniger leicht zu ziehen und wirft schnell auf die Notwendigkeit zurück, für den Umgang mit ihnen zunächst fundierte Begriffsarbeit zu leisten, der dieses Seminar in einem ersten Schritt nachkommen möchte.
Denn was genau ist eigentlich ein Diskurs? Was ein Dispositiv? Worin liegen ihre Unterschiede? Wo ist die Verwendung dieser Begriffe hilfreich, wo jedoch verstellt sie weitere Analysearbeit durch ihre scheinbare Allgemeingültigkeit? Wie lassen sich Begriffe wie Feld oder Netzwerk von ihnen abgrenzen? Während die von Michel Foucault geprägten Begriffe Diskurs und Dispositiv in der theaterwissenschaftlichen Forschung zunehmend kursieren, bleibt ihre Definition entweder über- oder unterkomplex, verliert sich in unkonkreten Allgemeinplätzen und verweist damit auf ihre Verwendungs- und Deutungspluralität. Das Seminar soll anhand konkreter Anwendungsbeispiel das Verständnis jener Bedeutungen erproben und die Begriffe dabei nicht nur hin- und annehmen, sondern sie in ihrer Unschärfe auch kritisieren. Denn laufen diese Begriffe mit ihrer immensen Bedeutungskomplexität nicht Gefahr, die konkreten und je spezifischen Praktiken und Mechanismen, die Dispositive und Diskurse entstehen lassen, zu übergehen?
Foucaults wohl bekannteste Umschreibung seines Dispositivbegriffs ist Zeugnis der vielschichtigen Einwirkungen, die ein Dispositiv formen:
„Was ich unter diesem Titel [dispositiv] festzumachen versuche ist erstens ein entschieden heterogenes Ensemble, das Diskurse, Institutionen, architekturale Einrichtungen, reglementierende Entscheidungen, Gesetze, administrative Maßnahmen, wissenschaftliche Aussagen, philosophische, moralische oder philanthropische Lehrsätze, kurz: Gesagtes ebensowohl wie Ungesagtes umfaßt. Soweit die Elemente des Dispositivs. Das Dispositiv selbst ist das Netz, das zwischen diesen Elementen geknüpft werden kann“ (Foucault, Michel 1978. Dispositive der Macht. Über Sexualität, Wissen und Wahrheit. Berlin: Merve, 119f.) Wie ein begrifflicher Stellvertreter für eine Akkumulation an komplexen Verflechtungen von Gegenständen, Praktiken, Normen, Regeln, Machtgefügen, Ideologien und Vorstellungen von Denk- und Sagbarem, die zu einer konkreten Zeit in einer konkreten Gesellschaft herrschen, hat sich der Begriff des Dispositivs und dessen damit intendierte Berücksichtigung ineinandergreifender Zusammenhänge und Vorannahmen in wissenschaftlichen Perspektiven als nahezu unverzichtbar etabliert.
Doch gerade die Relevanz, durch Begriffe wie Diskurs und Dispositiv Gegenstände nicht als ahistorische zu betrachten, sondern deren Kontingenz mitzudenken, verlangt eine spezifischere Auslegung und Verengung, die durch Komposita forschungsspezifisch herbeigeführt wird: Was also versteht man unter den jeweiligen "konkreteren" Dispositiven wie bspw. dem Sexualitätsdispositiv, dem Behinderungsdipositiv und vor allem dem Dispositiv Theater und welche weiteren Dispositive können benannt werden?
Eine diskurs- und dispositivanalytisch ausgerichtete Theaterwissenschaft begreift ihren Gegenstand nicht als einen in sich geschlossenen und opaken, sondern erfasst ihn in seinen gesellschaftlichen, historischen und kulturellen Konstellationen als von diesen (mit)konstituiert und hervorgebracht. Durch den konstitutiven Charakter von Normen, Machtgefügen, Strategien und Struktur, ist eine Betrachtung von Phänomenen aus diskursanalytischer Perspektive grundlegend für das Verständnis ihrer spezifischen Gewordenheit.
Das Seminar gliedert sich in zwei Blöcke. Dabei vereint es die genaue Textlektüre theoretischer Abhandlungen, das close reading von Textpassagen, mit der Betrachtung von unterschiedlichen Fallbeispielen, die diskurs- und dispositivanalytisch behandelt werden können und schlägt damit eine Brücke von Theorie und methodischer Anwendung.
1. Teil: Begriffsarbeit. Das Seminar verpflichtet sich zunächst einer intensiven Lektüre und Diskussion ausgewählter Schriften von Foucault, einem der wichtigsten Denker:innen des 20. Jahrhunderts, und weiterer Denker:innen, anhand derer die Kernbegriffe des Diskurses und Dispositivs erarbeitet werden und in konkreten Verwendungen verstanden werden.
2. Teil: Methodenerprobung: Daran anschließend soll das Seminar mit dem Verständnis der Bedeutung jener Begriffe ihre Methoden kennenlernen und erproben. Was hat es mit der Diskurs- und der Dispositivanalyse auf sich und wie lassen sich diese Methoden für theaterwissenschaftliche Fragestellungen fruchtbar machen? In einzelnen Seminareinheiten vertiefen wir durch Übungen die methodischen Vorgehensweise der Diskurs- und Dispositivanalyse anhand theater- und medienwissenschaftlicher Gegenstände.
Termine
Datum (Wochentag) | Zeit | Ort |
---|---|---|
17.04.2023 (Montag) | 14:15 - 15:45 | 01 415 P102 1141 - Philosophisches Seminargebäude |
24.04.2023 (Montag) | 14:15 - 15:45 | 01 415 P102 1141 - Philosophisches Seminargebäude |
08.05.2023 (Montag) | 14:15 - 15:45 | 01 415 P102 1141 - Philosophisches Seminargebäude |
15.05.2023 (Montag) | 14:15 - 15:45 | 01 415 P102 1141 - Philosophisches Seminargebäude |
22.05.2023 (Montag) | 14:15 - 15:45 | 01 415 P102 1141 - Philosophisches Seminargebäude |
05.06.2023 (Montag) | 14:15 - 15:45 | 01 415 P102 1141 - Philosophisches Seminargebäude |
12.06.2023 (Montag) | 14:15 - 15:45 | 01 415 P102 1141 - Philosophisches Seminargebäude |
19.06.2023 (Montag) | 14:15 - 15:45 | 01 415 P102 1141 - Philosophisches Seminargebäude |
26.06.2023 (Montag) | 14:15 - 15:45 | 01 415 P102 1141 - Philosophisches Seminargebäude |
03.07.2023 (Montag) | 14:15 - 15:45 | 01 415 P102 1141 - Philosophisches Seminargebäude |
10.07.2023 (Montag) | 14:15 - 15:45 | 01 415 P102 1141 - Philosophisches Seminargebäude |
17.07.2023 (Montag) | 14:15 - 15:45 | 01 415 P102 1141 - Philosophisches Seminargebäude |