Lehrveranstaltungsarchiv Dr. Clara-Franziska Petry

Symposium: Kinder- und Jugend (Musik) Theater 06.03.2020 – 08.03.2020

Dozent:innen: Dr. Julia Rabea Lind; Clara-Franziska Petry M.A.
Kurstyp: Tagung

Inhalt

Call for Papers

Seit den 1990er Jahren, so konstatiert Annett Israel, ist das Kinder- und Jugendtheater durch Merkmale der Entgrenzung charakterisiert. So fallen nicht nur künstlerische Grenzen zwischen den Sparten Musiktheater, Tanz, Schauspiel und Performance Kunst, sondern auch institutionelle Grenzen zwischen freier Szene und öffentlich geförderten Theatern. Das heutige Erscheinungsbild des Kinder- und Jugendtheaters ist durch eine besondere Vielfalt und Bandbreite der Theaterformen für Kinder und Jugendliche geprägt und hat sich im 21. Jahrhundert, so Gerd Taube, als integraler Bestandteil der Theaterarbeit in Deutschland etabliert. Das Symposium setzt sich zum Ziel, Positionen zeitgenössischen Kinder- und Jugendtheaters beziehungsweise Kinder- und Jugendmusiktheaters genauer zu beleuchten. Welche Positionen sind zu beobachten, wie können diese benannt werden, wie lassen sich Konzepte zwischen Poetik und Pädagogik verorten und wie steht es um die Entwicklung neuer Stücke beziehungsweise Konzepte? Der Call richtet sich an Promovierende, Postdocs aber auch an Pädagogen und Künstler aus der Praxis, die im Bereich Kinder- und Jugend (Musik)Theater tätig sind. Es wird eine enge Verschränkung von Praxis und Wissenschaft angestrebt, weshalb es ein umfangreiches Rahmenprogramm, unter anderem in Kooperation mit der Oper Frankfurt, geben wird. Die Publikation eines Tagungsbandes ist vorgesehen. Die Konferenz wird konzipiert von Clara-Franziska Petry und Dr. Julia Lind am Fach Theaterwissenschaft des Instituts für Film-, Theater- Medien und Kulturwissenschaft unter der Leitung von Prof. Dr. Friedemann Kreuder. Abstracts (350 Wörter + Biografische Angaben) bis 30.11.2019 an: cfpetry@uni-mainz.de

Entwicklung neuer pädagogischer Konzepte

Bereits 2008 richtete das Frankfurter Künstlerhaus Mousonturm ein Symposium zum Thema „Stop teaching – neue Theaterformen für Kinder und Jugendliche“ aus, um über das Verhältnis von Theater und Lernen in den Darstellenden Künsten neu nachzudenken. In Theaterformen wie szenisches Forschen/ biografisches bzw. dokumentarisches Theater treten Kinder und Jugendliche selbst als Akteure auf, wodurch sich die Rolle des Theaterpädagogen grundlegend ändert. An diese Diskussion möchte das Symposium anschließen und fragen, wie sich die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen an professionellen Theatern verändert hat? Welche neuen Formate haben sich etabliert? Welche neuen didaktischen Methoden sind notwendig? Konzertpädagogische Umsetzungen wie Konzerthausführungen für Kinder, Oper für Kinder und Konzerte für Familien, stehen in der Tradition von Leonard Bernsteins Young People’s Concerts die in den Jahren 1962–1972 als erste Konzertserie im Fernsehen ausgestrahlt wurde. Heutige mediale Konzepte der Musikvermittlung für Kinder erzählen durch Trickfilm-Animation das Libretto von Opernhandlungen nach, beispielweise die Serie Große Oper für kleine Leute, die 2015 von Arte ausgestrahlt wurde, oder die Lego
Oper des BR-Klassik. Wie sind diese Konzepte einzuordnen, was bewirken sie und welche Altersgruppen
werden hier (nicht) angesprochen? Wie ist die Musikvermittlung auf medialer Ebene vertreten?

Stückentwicklung zwischen alten und neuen Stoffen

Als ein Seismograf für Themen und Ästhetik des zeitgenössischen Kinder- und Jugendtheaters kann das seit
25 Jahren bestehende internationale Theaterfestival „Starke Stücke“ gelten. In den Produktionen lässt sich
die Tendenz zur Neubearbeitung von alten Stoffen ablesen; Märchenstoffe und klassische Dramentexte
werden mit Mitteln der Musik, Illustration, Tanz und Performance neu interpretiert und in Szene gesetzt.
Welche ästhetischen Strategien werden in diesen Stückentwicklungen angewendet? Welche Themen bilden
sich in den neuen Produktionen ab?

Zwischen Pop und Klassik

Das Mainzer Symposiums fragt nach dem Einfluss von Popmusik auf das Kinder- und Jugendmusiktheater.
Die Generationen, die nicht mit Popmusik sozialisiert worden sind, entwachsen dem Publikum. Was
bedeutet das für das Kinder- und Jugendmusiktheater? Ist die sogenannte Krise der klassischen Musik auf
die Popmusik zurückzuführen? Das call and response Prinzip im Pop ist dabei vergleichbar mit der
„Mitmach-Strategie“ in der Musikpädagogik. Doch wie gehen dabei Musikpädagogik und Poetik
zusammen? Wie können alte Opernstoffe für einen von Popmusik geprägten Rezipienten neu vermittelt
werden und in welcher Altersgruppe muss dort angesetzt werden?
Gleichermaßen muss nach dem Einfluss von Popkultur auf das Kinder- und Jugendtheater gefragt werden.
Inwiefern nehmen Stücke Bezug auf popkulturelle Ereignisse oder Personen, welche Rezeptionshaltung
bringt der von Popkultur geprägte Jugendliche mit und muss sich das Theater vom digitalen Angebot
(Internet, Computerspiele, Fernsehen etc.) abgrenzen oder anpassen?

Diversität und kulturelle Vielfalt

Zeitgenössisches Kinder- und Jugendtheater begreift sich immer weniger als ein Zielgruppentheater denn
als ein „Theater für alle“, das eine hohe gesellschaftliche Diversität und kulturelle Vielfalt anstrebt. Dieses
Selbstverständnis verdeutlicht sich u.a. in der sich für alle gesellschaftlichen Gruppen öffnenden
Theaterarbeit der bestehenden Theaterclubs oder in der Nutzung neuer Spielorte. Wie unter anderem
Kulturwissenschaftler Martin Tröndle feststellt, kann schon die Architektur des Theatergebäudes eine
Hemmschwelle für neue Rezipienten darstellen. Kulturmanagerin Birgit Mandel hebt die Wichtigkeit von
„Interkulturellem Audience Development“ hervor, um Bevölkerungsschichten mit Migrationshintergrund
anzusprechen. Welche Strategien der Öffnung werden von den Theatern verfolgt? Inwiefern eignet sich der
Stadtraum als Bühne, um ein anderes Publikum anzusprechen?

Neue Wege der Vermittlung

Um ein „Theater für alle“ realisieren zu können sind neue Konzepte von Theater- und Musikpädagogen
gefragt. Welche Kooperationen können Theaterhäuser eingehen? Ausgehend von Kulturvermittlerin
Barbara Balba Weber, die in ihrem Buch Entfesselte Klassik. Grenzen öffnen mit künstlerischer
Musikvermittlung
(2018) sieben Schritte zu einer künstlerischen Musikvermittlung formuliert, soll die
Arbeit des Amateurs diskutiert werden. Welche Ausbildung durchläuft der Musik- bzw. Theaterpädagoge?
Welche Wertschätzung erfährt er und wie kann diese wachsen?