Dissertationsprojekt Jochen Lamb M.A.

Technik im Spiel

Steuerungseinheiten theatraler Praktiken

Die Dissertation untersucht Steuerungs- und Regelungsvorgänge in der Bühnentechnik deutscher Stadttheater des 19. Jahrhunderts. Das Ziel der Arbeit ist es, das Verhältnis von Bühnentechnik, ihrem Gebrauch und theatralen Praktiken unter einer historiographischen Perspektive zu untersuchen. Dabei soll erforscht werden, mit welchen Mechanismen, Regeln und Infrastrukturen technische wie ästhetische Prozesse theatraler Praktiken gesteuert werden und entlang welcher Anforderungen sie sich herausgebildet und entwickelt haben.

Der Diskurs über das Verhältnis von Mensch und Technik ist durch die Entwicklungen digitaler Technologien in den letzten Jahren zunehmend für die Produktion und Rezeption darstellender Kunstformen in den Fokus gerückt. Die Funktion von Technik kann nur in Relation zu ihren Anwendungs- und Produktionsprozessen erfasst werden und der Umgang mit Technik im theatralen Spiel kann als Gebrauchsform verstanden werden, die nicht auf theatrale Strukturen begrenzt ist. Diese Bereiche werden von Ordnungs- und Regelsystemen umfasst, welche den Rahmen abstecken, in denen Aufführungen stattfinden können. Die Möglichkeiten und Grenzen von Interaktion und Organisation in diesem Rahmen werden durch ein komplexes Netz aus Steuerungseinheiten gebildet, die unterschiedliche Funktionen der Kontrolle und Mechanisierung erfüllen. Diese Zusammenhänge sollen im Dissertationsprojekt historisch perspektiviert und historiographisch erschlossen werden, um eine theaterwissenschaftliche Analyse von technologischen und theatralen Prozessen vornehmen zu können. Um das Dispositiv von Steuerungseinheiten und die sie umgebenden Techniken untersuchen zu können, sollen jene Gebrauchspraktiken herausgearbeitet werden, die gemeinsam mit den eingesetzten Artefakten und Strukturen als Steuerungseinheiten beschrieben werden können. Über ihre Betrachtung kann die Bedeutung technischer Entwicklungen für theatrale Praktiken nicht nur als Technikgeschichte beschrieben werden, sondern auch als Geschichte ihres Gebrauchs, die Perspektiven darauf eröffnet, wie Praktiken des Technikgebrauchs mit Praktiken theatraler Darstellungen verwoben sind, sich in gegenseitiger Bedingtheit entwickelt haben und wie sich das auf verschiedene Theaterbegriffe ausgewirkt hat.

Den Untersuchungsbereich dieses Vorhabens bildet die Entwicklung der Bühnentechnik in den Stadttheatern des 19. Jahrhunderts, da sich in diesem Zeitraum grundlegende Veränderungen durch die Umstellung mechanischer auf hydraulische und elektrische Funktionsweisen in der Theatertechnik gemeinsam mit ästhetischen Entwicklungen vollzogen haben. Unter dieser historiographischen Perspektive sollen Steuerungseinheiten, die sich durch die Verschränkungen von Praktiken und Technologien stetig neu formieren mussten, auf ihre Ordnungs- und Funktionsstrukturen innerhalb von Aufführungspraktiken hin untersucht werden.