Ü. Erinnerungsorte: Die Wormser Nibelungen-Festspiele und ihr Publikum

Dozent:innen: Hanna Maren Voss M.A.
Kurzname: Ü Erinnerungsorte
Kurs-Nr.: 05.155.16_750
Kurstyp: Übung

Inhalt

In Kooperation mit den seit 2002 alljährlich stattfindenden Wormser Nibelungen-Festspielen setzt die Mainzer Theaterwissenschaft im Sommersemester 2019 das bereits im Vorjahr begonnene „Pilotprojekt“ zu einer qualitativen Zuschauerforschung unter studentischer Beteiligung fort: Mit welchen Erwartungen kommen die Zuschauer/innen nach Worms? Wie beschreiben die Zuschauer/innen ihre subjektiven Erfahrungen und welche Wahrnehmungskonventionen und (Normalitäts-)Erwartungen lassen sich hieraus ableiten? Inwiefern wird ihre Wahrnehmung von biographischen Bezügen zum einstigen ‚Nationalmythos‘, von vorherigen Aufführungserlebnissen des Nibelungenstoffes oder von Worms als historisch wie mythisch aufgeladenem Ort beeinflusst bzw. überlagert? Was ‚sehen‘ die Zuschauer/innen und was ‚sehen‘ sie dementsprechend nicht? Entgegen ‚klassischer‘ semiotischer und phänomenologischer Verfahren der Aufführungsanalyse versucht eine solche Herangehensweise an „Theater“ der Diversität der Wahrnehmungs- und Erlebniswelten einzelner Zuschauer/innen im Sinne einer empirisch fundierten Phänomenologie Rechnung zu tragen.

Vor dem Wormser Dom wird in diesem Jahr von Freitag, 12. Juli 2019 bis Sonntag, 28. Juli 2019 das Theaterstück „Überwältigung“ von Thomas Melle in der Regie von Lilja Rupprecht gespielt.

Zum Inhalt: „Was würden wir anders machen, wenn wir immer schon im Voraus wüssten, welche Folgen unser Handeln haben wird? Was, wenn wir kurz innehalten und einen prüfenden Blick in die Zukunft werfen könnten, bevor wir uns entscheiden, etwas zu tun – oder auch zu lassen? Oder andersherum: Was, wenn wir Nachgeborenen unseren Vorfahren zurufen könnten: ‚Das, was Du da gerade vorhast, wird nicht nur Dich und Dein eigenes Leben ins Verderben führen, sondern Jahre oder Jahrzehnte später auch meines! Tu es nicht!‘? Der Dramatiker und Romancier Thomas Melle erzählt die Geschichte der Nibelungen mit dem Wissen von heute und von ihrem Ende her. Er beginnt mit dem tödlichen Showdown am Hof des Hunnenkönigs Etzel, der, wie es der Mythos will, Tod und Vernichtung der Burgunder zur Folge hat. Doch dann begehren die Toten auf und Melle erzählt die Geschichte von neuem: Von Siegfried und dem Kampf gegen den Drachen, von dem Betrug der Männer an Brünhild, der Isländerkönigin, und schließlich von der Intrige Hagens und dem Tod des unverwundbaren Siegfried. Dabei spielen von nun an alle gegen ihre eigene Geschichte an. Sie versuchen, der Erzählung eine neue Richtung zu geben, suchen in ihr nach einer besseren, weniger tödlichen Alternative und nach einer besseren Welt – und drohen doch erneut die gleichen Fehler zu begehen. Ist der Mensch im Grunde also einfach unbelehrbar? Oder gibt es am Ende vielleicht doch so etwas wie ein Schicksal, dem wir nicht entkommen können?“ (https://www.nibelungenfestspiele.de/nibelungenfestspiele/2019/Programm/Inszenierung/?navid=561865561865, 24.11.2018)

Die Exkursion besteht erstens aus einer Erkundung der Stadt auf den ‚Spuren‘ des Nibelungenmythos und einem gemeinsamen Besuch des Wormser Nibelungenmuseums (vrs. Freitag, 21.06.2019, 10.00-17.00 Uhr), zweitens aus einzelnen Besuchen von Proben zu „Überwältigung“ (vrs. in KW 26 oder 27 und KW 28, jeweils abends) und drittens aus den empirischen Befragungen auf dem Festspielgelände während der Festspielzeit. Von den Studierenden wird daher die Bereitschaft erwartet, aktiv bei den Befragungen mitzuarbeiten und hierfür in der Zeit von Donnerstag, 18. Juli 2019 bis Samstag, 20. Juli 2019 sowie von Donnerstag, 25. Juli 2019 bis Samstag, 27. Juli 2019 an einzelnen Abenden zur Verfügung zu stehen.  Die Hin- und Rückreise nach Worms soll aufgrund der erwarteten ‚nächtlichen‘ Wiederankunft in Mainz jeweils gemeinsam organisiert werden.

In der begleitenden Übung „Erinnerungsorte" werden sowohl Hintergründe zur Festspielidee und insbesondere den Wormser Nibelungen-Festspielen vermittelt als auch die empirischen Befragungen praktisch und methodisch vor- und nachbereitet: Was gibt es für Möglichkeiten der Befragung? Wie führt man konkret ein Interview? Was ist bei dessen Transkription zu beachten? Wie lassen sich die so gewonnenen ‚Daten‘ analysieren und interpretieren? Und wie lässt sich daraus (theater-)wissenschaftliche Erkenntnis ziehen?
Die Übung wird vrs. freitags gegen Ende der Vorlesungszeit in zwei vierstündigen Sitzungen stattfinden sowie über die Vorlesungszeit hinaus an zwei Blockterminen (jeweils Freitag/Samstag) bis Anfang August 2019.

Die Teilnehmer/innen von Exkursion und Übung erhalten so nicht nur Einblick in ein regionales Festspiel und die Konzeption einer empirischen Studie zur Zuschauerforschung, sondern können die theoretisch wie in praktischen Übungen vermittelte sozialwissenschaftliche Herangehensweise an „Theater“ direkt in der Praxis erproben und ihre Erfahrungen gemeinsam reflektieren.

Achtung: Die inhaltliche und organisatorische Vorbesprechung für Exkursion und Übung findet voraussichtlich bereits am Freitag, 26. April 2019 von 10.15 bis 11.45 Uhr statt!

Termine

Datum (Wochentag) Zeit Ort
26.04.2019 (Freitag) 10:15 - 11:45 00 461 P11
1141 - Philosophisches Seminargebäude
14.06.2019 (Freitag) 10:00 - 14:00 00 461 P11
1141 - Philosophisches Seminargebäude
28.06.2019 (Freitag) 10:00 - 14:00 00 461 P11
1141 - Philosophisches Seminargebäude
05.07.2019 (Freitag) 10:00 - 14:00 00 461 P11
1141 - Philosophisches Seminargebäude
06.07.2019 (Samstag) 10:00 - 18:00 00 461 P11
1141 - Philosophisches Seminargebäude
02.08.2019 (Freitag) 10:00 - 17:00 01 611 Seminarraum
1137 - Georg-Forster-Gebäude (Sowi)
03.08.2019 (Samstag) 10:00 - 13:00 01 611 Seminarraum
1137 - Georg-Forster-Gebäude (Sowi)